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Wir haben keine Zeit, deshalb lasst uns langsam vorgehen

Wir haben keine Zeit, deshalb lasst uns langsam vorgehen

Darüber, dass dies nicht im Widerspruch zu schnellem und effizientem Handeln steht.

Erst schreibe ich hier lange Beiträge darüber, dass jeder von uns sich trauen darf schneller zu entscheiden. Und dennoch ist dies aktuell mein Lieblingszitat der humanistischen Psychologin Ruth C. Cohn (1912-2010): „Wir haben keine Zeit, deshalb lasst uns langsam vorgehen“. Dieser Leitsatz wirkt alleinstehend paradox. Er bezieht sich allerdings auf das Zusammenwirken von Menschen, von der Kommunikation zwischen ihnen. Und er bezieht sich auf die Effizienz, die die Menschen entwickeln. In meiner Auffassung ist dieser Aufruf essentiell wichtig, wenn Menschen zusammen arbeiten.

Die schnelle Entscheidung aus meinen vorangegangenen Beiträgen ist eine individuelle Entscheidung. Es geht nicht um die Entscheidung eines Gremiums, des Vorstands oder eines Arbeitsteams. Das langsame Vorgehen von Ruth Cohn basiert darauf, dass Menschen miteinander kommunizieren und vor dem Risiko stehen, dass ihre Botschaften „durcheinander“ kommen. Dass Missverständnisse entstehen. Dass die Menschen, die gemeinsam ein Ziel erreichen wollen, ihre Kommunikation klar ziehen müssen, um gemeinsam effizient zu werden und erfolgreich zu sein. Es hängt zusammen mit Cohns Appell: „Störungen haben Vorrang“.

Wenn Menschen zusammen kommen, laufen in ihrer Kommunikation – im Gesagten wie im Non-Verbalen, also dem Tonfall, der Mimik und der Körpersprache – automatisch ganz viele Rituale ab: akzeptieren sie sich, sind sie sich sympathisch, empfinden sie ihre Beziehung gleich oder unterschiedlich, versucht jemand die Oberhand zu haben, ordnet sich jemand unter oder gibt er Gegenwehr, und vieles mehr. Fast immer laufen diese Prozesse zwischen den Zeilen: entweder gar nicht ausgesprochen und nur non-verbal, oder auch im gesagten oder geschriebenen Text. Aber auch dann eher im Tonfall oder in einer besonderen Formulierung anstatt offen ausgesprochen. Das liegt unter anderem daran, dass sehr viel dieser Prozesse nicht bewusst ablaufen, sondern vom Unterbewusstsein gesteuert werden. Dass in vielen Fällen auch noch die Wahrnehmung der Beteiligten auseinander gehen können (bisweilen sogar sehr weit), so dass Gesagtes und Gehörtes zwei verschiedene Paar Schuhe sind, bringt noch mehr Dynamik hinein.

Wenn also zwei oder mehr Menschen in einem Team oder einer Projektgruppe zusammen kommen, fährt in der Besprechung einer sachlichen Information unterhalb der Wasseroberfläche ein Riesenladeraum an Missverständnispotential mit. Wenn diese Menschen nun innerhalb eines klaren Zeitziels gemeinsam ein Ziel zu erreichen haben, tun sie gut daran, für die Klärung dieser Verhältnisse untereinander Zeit zu investieren. Alle Störungen, Missverständnisse, unausgesprochenen Vorbehalte, Vorwürfe oder gar Verletzungen, die das Team mit in das Projekt nimmt, werden die Arbeit behindern und werden sie langsamer machen und damit ineffizient.

Deshalb haben Störungen wirklich absoluten Vorrang! Darum empfehle ich Ihnen dringend: nehmen Sie sich diese Zeit dafür. Gehen Sie langsam vor, wenn Sie im Team für eine Aufgabe wenig Zeit haben und nicht bereits blind aufeinander eingespielt sind. Ein einzelner neuer Teilnehmer reicht, und Ihr Team-Gefüge muss neu definiert werden.

Denn sie wissen nicht, was ihr Tun bewirkt.

Denn sie wissen nicht, was ihr Tun bewirkt

Darüber, dass wir unserem Unterbewusstsein anscheinend hilflos ausgeliefert sind.

Der Schweizer Unternehmer, Kosmopolit und Autor Rolf Dobelli beschreibt in seinem Buch „Die Kunst des klaren Denkens“ sehr griffig, warum wir täglich Denkfehler begehen. Das schließt auch Unternehmenslenker, Analysten und wissenschaftliche Experten nicht aus, sondern gilt für alle gleich. Ausgangsbasis für seine Sammlung von 52 klassischen Denkfehlern sind 10.000 Jahre Evolution, die unser Hirn und unser Denken geprägt haben. Und zwar nicht geprägt haben für Rationalität und Klarheit in unserer immer schneller immer komplexer werdenden Arbeits- und Wirtschaftswelt. Sondern auf grundsätzliche Muster zum Überleben: Jagen und Sammeln, Flucht und Angriff. 

Dabei bringen mich 2 der geschilderten Denkfehler besonders auf die schnellen Entscheidungen aus meinem letzten Eintrag zurück, auf die sieben Atemzüge der Samurai. Dobelli nennt sie „die Prognoseillusion“ und „the Outcome Bias“.

„Die Prognoseillusion“ stützt sich auf eine Studie des Berkeley-Professors Philip Tetlock, der über 80.000 Vorhersagen von ausgewiesenen Experten betrachtete, ohne ein auffällige Trefferquote feststellen zu können. „The Outcome Bias“ bezeichnet unsere Angewohnheit, Entscheidungen in der Retrospektive anhand der Ergebnisse zu bewerten. Dies führt dazu, dass wir Entscheidungen gut finden, die zu guten Ergebnissen geführt haben. Und solche, die zu schlechten Ergebnissen geführt haben, halten wir für schlechte Entscheidungen. Wir betrachten aber nicht den Moment der Entscheidung und die Umstände in diesem Moment. Die retrospektive Analyse betrachtet als klar und offensichtlich, was am Punkt der Entscheidung noch nicht klar oder offensichtlich gewesen sein muss.

„Die Prognose-Illusion“ stützt sehr klar die schnelle Entscheidung nach Scherer und den Samurai. Wenn ich nicht erwarten kann, dass selbst die am gründlichsten recherchierte Prognose des hochspezialisierten Fachmanns mir in meiner Entscheidung Sicherheit gibt – dann brauche ich für diese Analyse auch nicht mehr Zeit investieren als sieben Atemzüge. Und die Bewertung meiner Entscheidung bleibt dem „Outcome Bias“ zufolge auch unvollkommen: das Ergebnis bestimmt nicht (allein) die Qualität der Entscheidung. Ich kann auch nur unzureichend prognostizieren, welches Ergebnis ich erreicht hätte, wenn ich die Entscheidung anders getroffen hätte.

Also doch: sieben Atemzüge und zack! Denken Sie daran, wie viel schneller Sie werden, wenn Sie Entscheidungen nicht mehrere Tage hintereinander in der Wiedervorlage finden. Sie nicht noch einmal mit allen durchsprechen müssen. Wenn Sie günstige Situationen ausnutzen können, anstatt sie zu verpassen, weil der Entscheidungsprozess zu lange gedauert hat.

Eine weitere Meinung zur „Prognose-Illusion“: Steve Jobs weist in seiner vielzitierten Ansprache an der Stanford Universität daraufhin, dass „man keine Verbindung zwischen den Punkten sieht, wenn man nach vorn schaut. Man kann sie nur verbinden, wenn man zurückblickt. Man muss sich also einfach darauf verlassen, dass diese einzelnen Punkte sich in der Zukunft irgendwie verbinden werden. Man muss in etwas vertrauen – das Bauchgefühl, Schicksal, Leben, Karma, was auch immer.“ 

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Über das schnelle Entscheiden und ob etwas dagegen spricht.

Angestoßen durch den Newsletter des Unternehmensberaters, Autoren und Key Note Speaker Hermann Scherer, habe ich mich kürzlich mit einer Weisheit der Samurai beschäftigt, die besagt, man solle sich für keine Entscheidung mehr als sieben Atemzüge Zeit lassen. Eine Einstellung, die im Widerspruch zu unserem zeitgemäßen Motto steht, „eine Nacht drüber zu schlafen.“ Sie findet aber Widerhall in dem ebenfalls zeitgemäßen Aufruf, mehr intuitiv zu entscheiden und zu führen. 

Und sie steht im Einklang mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen, dass der Mensch bis zu  90% seiner Entscheidungen unbewusst, bzw. im Unterbewusstsein trifft. Demzufolge funktioniert das Bewusstsein „nur“ als eine Art Online-Medium des Unterbewusstseins, das in Real-Time schlüssige Argumentationen zu instinktiven und reflexhaften Entscheidungen konstruiert, damit der Mensch im Eindruck steht, überlegt und rational gehandelt zu haben. Welch ein Selbstbetrug! Dann doch lieber das (aus Film und Fernsehen geprägte) Bild des mental und körperlich überlegenen Samurai, der traumwandlerisch sicher das Richtige tut.

Hermann Scherer führt die die mögliche Richtigkeit der kurzen Entscheidungsspanne des Samurai auf zwei Arten von Entscheidungen zurück: klare Entscheidungen, bei denen Ergebnis und Vorteil auf der Hand liegen, so dass man in weit weniger als sieben Atemzügen entscheiden kann. Und auf der anderen Seite: unklare Entscheidungen. Vor diese gestellt, greift der westlich zivilisierte und womöglich betriebswirtschaftlich geschulte Mensch zu tabellarischen Vorteils- und Nachteilserwägungen und vierdimensionalen SWOT-Analysen. Und dann schläft er mindestens eine Nacht drüber oder entscheidet gar nicht erst alleine, sondern nur im Gremium (in dem alle ihre eigene Tabelle machen und auch noch ein Nacht drüber schlafen wollen). Letzten Endes bleibt das Ergebnis im Vorfeld ausreichend unsicher, so dass man genau so gut, wenn nicht richtiger entscheidet, wenn man der Intuition folgt. Innerhalb der ersten sieben Atemzüge.

Ein Reflex sagt mir, dass es auf jeden Fall weitreichende Entscheidungen gibt, die man auf gar keinen Fall in sieben Atemzügen treffen kann. Habe ich doch selbst vor kurzem in zwei Konzepten gründliche SWOT-Analysen durchgeführt und eine dritte im eigenen Business Plan. Und bin auf eine erstaunliche Fülle von Möglichkeiten und Gefahren gestoßen und auf noch viel mehr wirklich gute Handlungsempfehlungen. Doch wenn ich darüber nachdenke: in meiner Entscheidung haben sie mich nicht beeinflusst. Egal wie offensichtlich die Schwächen und wie groß die Risiken waren, die ich identifizierte. Die Entscheidung bleibt die Gleiche. Die identifizierten Handlungsmöglichkeiten wurden sogar zur Rechtfertigung der längst getroffenen Entscheidung: vorbeugend vor Risiken kann ich ja dieses und jenes unternehmen. Und wenn es doch nicht ganz so gut läuft, kann ich auf diese 10 Maßnahmen zurückgreifen.

Also ich will es in Zukunft häufiger ausprobieren. Nicht übermäßig lange abwägen, ob 10 Vorteile 9 Nachteilen gegenüber stehen, oder es nicht vielleicht doch unentschieden in die Verlängerung geht. Nicht noch die 87. Information einholen, wenn schon die ersten 86 keine Klarheit schaffen. Sieben Atemzüge – Entscheidung – Peng. Mal sehen, wie das ist.

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