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Erwarte Differenzen und begrüße sie

Erwarte Differenzen und begrüße sie

Wie wir das beste daraus machen können, dass wir alle unterschiedlich sind

Wir sind alle Individuen. Wir sind alle unterschiedlich. Abgesehen davon, dass wir das spätestens seit „Das Leben des Brian“ gelernt haben, ist es sowieso irgendwie klar. Interessanterweise fehlt uns im Arbeits- wie Privatleben dennoch manchmal ein hilfreicher Umgang mit dieser Tatsache. Wir erleben, dass wir verdutzt sind, uns vor den Kopf gestoßen fühlen, wir finden uns in Konflikten wieder, wir beobachten Grabenkämpfe und Schlammschlachten – obwohl wir wissen, dass es diese Unterschiedlichkeit zwischen uns gibt. Und wir wissen auch, dass dies so bleibt. Alles Wünschen, Streiten und gegeneinander Durchsetzen verändert das nicht.

Wir treffen auf unterschiedliche Persönlichkeiten

Woher kommen diese Unterschiede? Wir treffen auf unterschiedliche Persönlichkeiten: Introvertierte und Extravertierte, Ordnungsliebhabende und Freigeister, menschenorientierte und sachorientierte, Solidarische und Einzelkämpfer*innen. Jede/r von uns verfügt über seine eigene Wahrnehmung davon, was wir mehr anstreben und was wir vermeiden möchten; davon, was richtig und was falsch ist. Wir haben jeder von uns eine eigene innere Landkarte von der Welt, der Menschheit, dem Leben (und dem ganzen Rest).

Wenn wir auf andere treffen, können wir Ähnlichkeiten in bestimmten Punkten entdecken. Doch wir treffen niemals jemanden, die/der exakt so auf die Welt schaut, wie wir selbst.

Die Normalität ist: wenn ich auf jemand anderen treffe, sieht sie/er die Welt immer anders als ich. Manche nur ein bisschen – andere sehr sehr unterschiedlich.

Was wir uns allerdings oft (unbewusst) erhoffen, sind Treffen mit anderen Menschen, die die Welt so sehen wie wir selbst. Und das besonders gerne bei der Arbeit: im Team oder in den Besprechungen mit anderen Teams. Doch das gibt es gar nicht: die anderen sehen das zu klärende Thema immer – mehr oder weniger – unterschiedlich.

Viele von uns haben dann die Idealvorstellung: die Themen ganz im Konsens zu sehen, zu entscheiden und zu bearbeiten – ohne viel Mühe. Aufgrund unserer Unterschiedlichkeit ist das meistens nicht der Fall. Konsens mit allen Beteiligten zu erreichen, kostet Zeit und ist anstrengend. Bei einer anderen Meinung stöhnen wir innerlich laut auf und lassen den Kopf hängen – oder gehen in einen Kampfmodus, um unsere Sicht durchzusetzen.

Die Wahrheit beginnt zu zweit

Probleme zu lösen, auf neue Ideen zu kommen, Herausforderungen zu meistern – das gelingt meistens im Zusammenspiel mit jemand anderem. Kreativität und Synergie entstehen in den Momenten, wo zwei (oder mehrere) Wahrnehmungen sich begegnen, sich gegenseitig ergänzen Dadurch erweitert das Paar oder das Team seinen gemeinsamen Horizont. Den gemeinsamen Horizont auf verschiedenen Ebenen: Einsichten in Probleme oder Kundenbedürfnisse, Lösungsmöglichkeiten, Leistungsfähigkeit. Ohne das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Sichtweisen wäre es überhaupt nicht möglich, dass zwei oder mehr Menschen mehr erreichen „als die Summe ihrer Teile“.

Auch wenn wir herausragende Einzelleistungen betrachten – ob in Forschung, Leistungssport oder ähnlichem: dann steckt dahinter in den meisten Fällen ein professionelles Team, dass ergänzt, unterstützt, multipliziert und auch als Korrektiv fungiert.

Rechne mit Unterschieden und heiße sie willkommen

Also wäre das logische Verhalten für uns in der Zusammenarbeit: gehe grundsätzlich von den Unterschieden aus; erkenne das Positive darin; und stelle Dich darauf ein, damit umzugehen. Damit machen wir uns das Leben selbst einfacher und kommen schneller mit anderen zu gemeinsamen Ergebnissen.

Wie kannst Du nun gut damit umgehen: die ersten Schritte sind immer Transparenz und Verständnis. Ich habe vor kurzem wieder einige Retrospektiven moderiert, in denen Beteiligte sich gegensätzlich scheinende Entscheidungen gewünscht haben. Dadurch dass die Team-Mitglieder die Möglichkeit bekamen, ihr jeweiliges Ziel zu schildern und welchen Nutzen sie damit erreichen wurden, war schnell klar, um welchen Spagat es geht. Und es gab ein Verständnis dafür, welcher Zweck für das Team jeweils beabsichtigt war. Durch diese Transparenz konnten die Team-Mitglieder ganz konkret an einer Lösung arbeiten, die beide Absichten so gut wie möglich abdeckte: eine echte Gewinn-Gewinn-Absprache.

Mach also transparent, was Deine Ziele sind und welchen Nutzen sie verfolgen. Denn es besteht eine automatische Chance, dass sie nicht deckungsgleich mit denen Deiner Gesprächspartner sind. Dann könnt Ihr Euch darauf konzentrieren, wo der Kompromiss oder der kleinste gemeinsame Nenner liegt – oder eben die Win-Win-Lösung auf die Ihr mit einer einzelnen Perspektive gar nicht erst gekommen wärt.

Was ist denn nun mit Reibung erzeugt Wärme?

Diese Aussage stimmt mit meiner Beobachtung überein: die Unterschiede sind sowie da, also können wir sie akzeptieren, transparent machen und daraus unsere Lösungs- und Leistungsfähigkeit schöpfen. Das Zitat wird allerdings auch in sehr wettbewerbsorientierten Umfeldern benutzt, wo Kollegen oder Teams in interne Konkurrenz treten. Sozusagen als Begründung für ein nicht kooperatives Klima und teilweise sogar als Ausrede dafür, dass Führungsebenen nicht mehr Energie aufwenden, um kooperative Rahmenbedingungen zu schaffen.

Das ist mit diesem Artikel nicht gemeint. Es geht darum, dass Ihr Reibungsverluste minimieren könnt. Ihr könnt mit Eurer eigenen Ressource besser umgehen, wenn Ihr die Unterschiedlichkeit akzeptiert und von vornherein nutzt – damit Ihr nicht Energie in Reibereien verliert.

Sag Ja!

Dazu greife ich gerne auf eine bekannte Regel aus dem Impro-Theater zurück, die ich über Kollegen kennen gelernt habe: Sag Ja. Im Impro-Theater bedeutet das, alles anzunehmen, was die Mitspieler und das Publikum Dir als Stichwort zurufen. Es bedeutet, dass Du dazu innerlich Ja sagst und dann genau damit weiter spielst. Und solange uns Kolleg/innen nicht angreifen oder unsere Werte verletzen, ist das für uns in der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Persönlichkeiten genau so hilfreich. Ja, Du bist eben gar nicht so wie ich. Und damit arbeiten wir jetzt.

Foto von Anusha Barwa auf unsplash.com.

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