Denn sie wissen nicht, was sie tun
Über das schnelle Entscheiden und ob etwas dagegen spricht.
Angestoßen durch den Newsletter des Unternehmensberaters, Autoren und Key Note Speaker Hermann Scherer, habe ich mich kürzlich mit einer Weisheit der Samurai beschäftigt, die besagt, man solle sich für keine Entscheidung mehr als sieben Atemzüge Zeit lassen. Eine Einstellung, die im Widerspruch zu unserem zeitgemäßen Motto steht, „eine Nacht drüber zu schlafen.“ Sie findet aber Widerhall in dem ebenfalls zeitgemäßen Aufruf, mehr intuitiv zu entscheiden und zu führen.
Und sie steht im Einklang mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen, dass der Mensch bis zu 90% seiner Entscheidungen unbewusst, bzw. im Unterbewusstsein trifft. Demzufolge funktioniert das Bewusstsein „nur“ als eine Art Online-Medium des Unterbewusstseins, das in Real-Time schlüssige Argumentationen zu instinktiven und reflexhaften Entscheidungen konstruiert, damit der Mensch im Eindruck steht, überlegt und rational gehandelt zu haben. Welch ein Selbstbetrug! Dann doch lieber das (aus Film und Fernsehen geprägte) Bild des mental und körperlich überlegenen Samurai, der traumwandlerisch sicher das Richtige tut.
Hermann Scherer führt die die mögliche Richtigkeit der kurzen Entscheidungsspanne des Samurai auf zwei Arten von Entscheidungen zurück: klare Entscheidungen, bei denen Ergebnis und Vorteil auf der Hand liegen, so dass man in weit weniger als sieben Atemzügen entscheiden kann. Und auf der anderen Seite: unklare Entscheidungen. Vor diese gestellt, greift der westlich zivilisierte und womöglich betriebswirtschaftlich geschulte Mensch zu tabellarischen Vorteils- und Nachteilserwägungen und vierdimensionalen SWOT-Analysen. Und dann schläft er mindestens eine Nacht drüber oder entscheidet gar nicht erst alleine, sondern nur im Gremium (in dem alle ihre eigene Tabelle machen und auch noch ein Nacht drüber schlafen wollen). Letzten Endes bleibt das Ergebnis im Vorfeld ausreichend unsicher, so dass man genau so gut, wenn nicht richtiger entscheidet, wenn man der Intuition folgt. Innerhalb der ersten sieben Atemzüge.
Ein Reflex sagt mir, dass es auf jeden Fall weitreichende Entscheidungen gibt, die man auf gar keinen Fall in sieben Atemzügen treffen kann. Habe ich doch selbst vor kurzem in zwei Konzepten gründliche SWOT-Analysen durchgeführt und eine dritte im eigenen Business Plan. Und bin auf eine erstaunliche Fülle von Möglichkeiten und Gefahren gestoßen und auf noch viel mehr wirklich gute Handlungsempfehlungen. Doch wenn ich darüber nachdenke: in meiner Entscheidung haben sie mich nicht beeinflusst. Egal wie offensichtlich die Schwächen und wie groß die Risiken waren, die ich identifizierte. Die Entscheidung bleibt die Gleiche. Die identifizierten Handlungsmöglichkeiten wurden sogar zur Rechtfertigung der längst getroffenen Entscheidung: vorbeugend vor Risiken kann ich ja dieses und jenes unternehmen. Und wenn es doch nicht ganz so gut läuft, kann ich auf diese 10 Maßnahmen zurückgreifen.
Also ich will es in Zukunft häufiger ausprobieren. Nicht übermäßig lange abwägen, ob 10 Vorteile 9 Nachteilen gegenüber stehen, oder es nicht vielleicht doch unentschieden in die Verlängerung geht. Nicht noch die 87. Information einholen, wenn schon die ersten 86 keine Klarheit schaffen. Sieben Atemzüge – Entscheidung – Peng. Mal sehen, wie das ist.