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Guckt sich die Kultur den blinden Fleck ab?

Guckt sich die Kultur den blinden Fleck ab?

Nationalgalerie, Kampnagel und ZKM im Tagesspiegel über ihre Erfolgsgeheimnisse. Über Mitarbeiter kein Wort

Ende Oktober wurde beim Kulturmarken Award auch der Kulturmanager des Jahres ausgezeichnet. Die Nominierten, Peter Weibel, Leiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe, Udo Kittelmann, Direktor der Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, und Amelie Deufhard, Intendantin der Kulturfabrik Kampnagel, sprachen vor der Verleihung im Tagesspiegel über die Begrifflichkeit „Kulturmanager“, über die Herausforderungen ihrer Tätigkeiten und darüber, was den Erfolg ausmacht.

 In dem Interview sind die Mitarbeiter dieser Institutionen mit keiner Silbe erwähnt. Wenn Frau Deufhard aufzeigt, dass man „sich in jeden Gesprächspartner hineindenken können muss“, bezieht sie das auf „Senator, Kurator, Journalist oder Künstler“. Wenn Herr Weibel hervorhebt, ein Kulturmanager „müsse als Vermittler bei allen Parteien präsent sein“, dann geht es ihm um das „fragile Verhältnis zwischen Presse, Politik und Publikum“. Und so mache den Erfolg des Kulturmanagers aus, dass er „früher sieht als andere, was interessant ist“ (Weibel), und die Institution „sollte vor allem daran gemessen werden, wie kreativ sie sich verhält“ (Kittelmann). 

Dass gut ausgebildete und leidenschaftliche Mitarbeiter eine Rolle spielen, die sich im Team für eine höheres Ideal von Kultur und Kunst einsetzen anstatt besser bezahlten Tätigkeiten in Wirtschaftsunternehmen nachzugehen, kann der Leser des Artikels nicht erfahren. Dass ein Themen-Schwerpunkt auf dem KulturInvest-Kongress (der am selben Tag in Kombination mit dem Kulturmarken Award veranstaltet wurde) „Personalentwicklung im Kulturbetrieb“ heißt, erfahren wir an dieser Stelle nicht. 

Kulturbetriebe und -Institutionen grenzen sich zurecht in Zielsetzung und Anspruch von gewinnorientierten Wirtschaftsunternehmen ab. Es gibt einen großen Konsens darüber, dass ihr Auftrag ein anderer ist. Dass sie nun ausgerechnet im Bereich Mitarbeiter-Orientierung und Personalentwicklung althergebrachten Mustern aus dem Mittelstand folgen zu scheinen, wirkt auf mich überraschend und paradox. Meine Beobachtungen beim KulturInvest-Kongress sind nicht empirisch, doch wussten nur wenige Kongress-Teilnehmer zu berichten, dass in ihren Betrieben klare Kommunikation, gezielte Weiterentwicklung und wertschätzender Umgang an der Tagesordnung seien. In vielen Betrieben sei das Verhältnis den Mitarbeitern gegenüber noch von dem Paradigma geprägt, dass es so erfüllend sein muss, für die Kultur zu arbeiten, dass der einzelne Mitarbeiter beliebig austauschbar ist. Denn wenn Frau Meier nicht mehr will, weil sie einen anderen Umgang, eine andere Entwicklung erwartet, dann stehen für die Stelle ja schon 10 andere Schlange. 

In diesem Zusammenhang bekommt der Begriff der „Unternehmenskultur“, um den sich so manches privatwirtschaftliche Unternehmen nach Kräften bemüht, gerade durch seine Abwesenheit im Kulturbetrieb eine neue, sehr absurde Dimension.

Ich kann nur jeden Kulturbetrieb aufrufen und ermutigen, sich von der Wirtschaft auch im Personalwesen abzugrenzen: mit einer „nobleren“ Zielsetzung, mit einem höheren Anspruch. Durch die sehr unterschiedlich denkenden und fühlenden Abteilungen hindurch: technische und künstlerische Bereiche, Intendanz, Verwaltung, Verkauf. Wenn ein Unternehmen sich eine Philosophie geben und diese auch leben kann, wenn sich ein Betrieb eine lebendige und authentische Unternehmenskultur geben kann, dann doch wohl hoffentlich der Kulturbetrieb.

Ist dies ein Dolch, was ich da vor mir sehe

Ist dies ein Dolch, was ich da vor mir sehe

Wenn Unternehmen wie Yahoo oder Microsoft interne Bewertungs-Tools gegen sich selbst richten. Und dabei hätten sie so sinnvoll und zielführend sein können. 

Der Vergleich zu Macbeth mag hinken, da es sich um einen geistig Verwirrten unter Eindruck einer Halluzination eines Mordinstruments handelt. Doch das Zitat geht weiter: „…den Griff mir zugewendet?“. Und Macbeth handelt in der Überzeugung, das Richtige für seinen Erfolg zu tun. An diesen beiden Stellen findet sich die Parallele zu Konzernen, die Methoden zur Bewertung der Leistung der Mitarbeiter einsetzen. Von der Idee her sind dies Methoden, um den Unternehmenserfolg zu steigern, die Effektivität und die Effizienz zu erhöhen. In der Umsetzung verwenden einige Firmen diese Methoden jedoch so, dass sie kontraproduktiv zur Vergrößerung des Erfolgs wirken. Das bekannteste Beispiel sind Forced Rankings: im Vorfeld werden Quoten festgelegt, wie viele High Performer, Durchschnittliche und Low Performer bei der Bewertung herauskommen dürfen. Das Unternehmen setzt meines Erachtens die Methode nicht ein „mit dem Griff sich zugewendet“, sondern mit der Klinge.

Der Berater, Autor und frühere Topmanager Patrick D. Cowden hat vor kurzem in einem Artikel auf Spiegel Online aus seinen eigenen Erfahrungen mit Forced Rankings berichtet. Anlass war die Einführung dieser Methode bei Yahoo, die von den Medien der Vorstandsvorsitzenden Marissa Mayer zugeschrieben wird. Cowden beschreibt die Unternehmen, in denen er mit der Politik der Forced Rankings konfrontiert war. Er durfte seine Mitarbeiter nicht so bewerten, wie er ihre Leistung sah. Eine bestimmte Anzahl von ihnen musste er als unterdurchschnittlich leistungsstark bewerten. Auch wenn es dafür keinen Anlass gab. Diesen Mitarbeitern konnte er die Bewertung nicht nachvollziehbar machen. Ein Original-Zitat, dass er sich seinerzeit anhören durfte: „Sorry, Patrick, das geht nicht, die Noten deiner Mitarbeiter sind viel zu gut.“

Der Hintergrund dieser Methode sind in der Regel kennzahlen-getriebene wirtschaftliche Überlegungen: wenn das Unternehmen auf die Kostenbremse treten muss, hat es durch die festgelegte Quote stets eine bestimmte Menge ihrer Mitarbeiter als Low Performer kategorisiert, um sich von ihnen gerechtfertigt trennen zu können. Außerdem kann die Ausschüttungen von Gratifikationen und Boni so konstant geregelt werden. 

Aus der Sicht des Controllings und der Shareholder ein scheinbar zielorientiertes Tool. Die Situation, in der Yahoo steckt, legt solche Methoden nahe: seit 2008 gehen die Umsätze pro Jahr in Milliardenhöhe zurück. Mayers Mission ist zuerst Konsolidierung und dann Neuaufbau. Zu den Konsolidierungsmaßnahmen dürfen wir sicherlich zählen, dass Yahoo die Home Office Arbeit abgeschafft hat. Die Einführung von Forced Rankings scheint ein nächster Schritt zu sein. Mayer hat allem Anschein nach Erfolg: sie senkte (mit vielen weiteren Maßnahmen) die Kosten spektakulär und stabilisierte, ja steigerte sogar die Gewinne des Unternehmens trotz des radikalen Umsatzrückgangs. Der Aktienmarkt dankt es ihr durch steigenden Wert.  

Was sind die weiteren Konsequenzen für ein Unternehmen, das so vor geht? Es wird viele Mitarbeiter geben, die demotiviert sind. Die nicht nachvollziehen können, nach welchen Maßstäben ihre Arbeit bewertet wird. Die keinen Sinn darin finden werden, ihre volle Leistungsfähigkeit und persönliche Weiterentwicklung in dieses Unternehmen zu stecken. Und die sich aus Angst zur durchschnittlichen Mitte hin orientieren. Weniger Mitarbeiter, die sich motiviert fühlen Höchstleistungen für die Firma zu bringen, in Zeiten des Wandels  offen und kühn die Entwicklung des Unternehmens mit voranzutreiben. Führungskräfte werden kein Interesse mehr haben, die Menschen zu fördern, alles aus ihnen herauszuholen, sie besser zu machen. Es wird im Allgemeinen auch kritisiert, dass Forced Rankings dazu führt, dass Mitarbeiter anfangen, gegeneinander zu arbeiten, um an die limitierten High Performer-Noten zu kommen.

Wird Yahoo im globalen Wettbewerb der Digital-Giganten in der Zukunft mithalten können? Das kann keiner wissen. Das Paradoxon zu diesem Thema ist die fast zeitgleiche Abschaffung von Forced Rankings bei Microsoft. Jetzt könnte man leicht sagen: ja, Microsoft sieht seine Felle wegschwimmen, weil ihr Geschäftsmodell des Desktop-Betriebssystems veraltet ist und weil ihnen das mobile Internet wegläuft. Und deshalb stellen sie die Weichen auf ein zukunftsfähiges Miteinander. Anders als Yahoo hat Microsoft jedoch mit Ausnahme von 2009 in jedem Jahr seine Umsätze gesteigert, hat in jedem Jahr mehr Mitarbeiter eingestellt. Zwar ist die Umsatzrentabilität aktuell nicht auf dem Höchststand, aber dennoch klar über 20%. Eine Krise oder ein zur Veränderung motivierender Leidensdruck sieht anders aus. Und Microsofts Geschichte ist voll von aggressiven und teils illegalen Methoden – also alles andere als ein Gutmensch-Laden.

Egal, was in den spezifischen Fällen von Frau Mayer und Herrn Ballmer dazu geführt hat, und egal wohin es führt: die hauptsächliche Ressource dieser Unternehmen sind die Menschen und die Ideen und Leistungen, die diese Menschen in das Unternehmen einbringen. Aus meiner Sicht ist der größte Hebel für den Erfolg solcher Unternehmen, in diese Menschen, in ihre Leistungsfähigkeit und Entwicklung und in ihre Identifikation mit dem Unternehmen zu investieren. Regelmäßiges Feedback, nachvollziehbare Bewertungsmethoden und Zielvereinbarungen, der Wille aller Beteiligten sich stets zu verbessern, gehören zur erfolgsorientierten Human Resources Arbeit unerlässlich dazu. Forced Rankings erfüllen diese Zwecke sicherlich nicht.

Quellen:

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