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Die neue Wirtschaft… Jetzt in Stereo – 5 Thesen

Ich freue mich, hier einen Beitrag zur Blogparade von intrinsify!me zu schreiben. Ich stelle ebenfalls einige Thesen zur neuen Wirtschaft auf. Im Anschluss gehe ich noch kurz auf eine These aus Marks Artikel ein.

1. Unternehmen in Stereo: Die Pole miteinander verbinden

Es geht (jetzt schon und) in Zukunft immer mehr darum: Aspekte, Ansichten und Extreme zu verbinden, die zunächst nicht plausibel vereinbar scheinen. Ein Beispiel ist für mich das Arbeiten nach der Systemtheorie über die wir gerade im !me-Kreis viel schreiben, lesen und hören. Das Arbeiten nach dieser Theorie ist für mich unbedingt in Kombination zu bringen mit dem Blick auf die Menschen und Persönlichkeitstypen. Das klingt erstmal paradox, weil die Systemtheorie ja gerade den Menschen mit seiner Persönlichkeit nicht als Element des Systems definiert sondern nur seine Handlungen.

Ich erinnere mich sehr gut an zwei Bereichsgeschäftsführer eines Unternehmens, in dem ich gearbeitet habe. Beide handelten im selben System mit vergleichbaren entscheidbaren Entscheidungsprämissen: Berichtslinien, Strukturen, Boni und Zielvereinbarungen waren gleich oder zumindest ähnlich. In ihren Bereichen entstanden zwei vollkommen unterschiedliche Arbeitshaltungen und Vorgehensweisen. Sie stellten zwar beide die Anschlussfähigkeit ans System her, und doch prägten sie mit ihren individuellen Vorstellungen unterschiedliche systemische Muster. Hier macht es für mich Sinn bei der Beobachtung aus beiden Richtungen zu schauen: aus der systemtheoretischen und aus der menschenorientierten. Sozusagen: in stereo die Organisation beobachten und in stereo Interventionen kreieren.

Das erinnert mich auch an die Idee von Niels Pfläging, dass moderne Führungskräfte „kapseln“ können. D.h. sie geben ins System anschlussfähige Botschaften, während sie in ihrem eigenen Bereich anders, neuartig und experimentell vorgehen lassen. Die Führungskraft, die damit beginnt zu kapseln, täuscht also Anschlussfähigkeit nur vor, handelt aber unabhängig von den Pfaden, die sich in der Organisation verselbständigt haben.

In Stereo zu denken und zu handeln, also im Sowohl-als-auch anstatt des Entweder-Oder, verkaufen findige Berater seit einiger Zeit auch gerne unter dem Label „Ambidextrie“, sprich: Beidhändigkeit. Da stehen uns noch viele beidhändige Lösungen in stereo vor, wenn es z.B. bislang heißt: „Demokratie ist das wirksamste Mittel gegen Sprunginnovation“; oder auch wenn wir den richtigen Mix aus und die richtigen Schnittstellen zwischen Agilität und Linearität in Unternehmen schaffen wollen.

2. Wachsamkeit und Neugier

Die Zukunft ist und bleibt nicht vorhersagbar. Früher konnten wir uns leichter der Illusion der Vorhersagbarkeit hingeben. Nun geht das nicht mehr. Deswegen formuliert Mark seine Aussagen zurecht als Thesen. Keiner kann sicher vorhersagen was als nächstes passiert – in der Technologie, den Märkten, der Eurokrise, der US-Präsidentschaftswahl, zwischen der EU und der Türkei oder zwischen der Welt und Nordkorea. Dadurch werden zwei Haltungen für uns alle herausragend wichtig: hohe Wachsamkeit gegenüber dem, was sich alles neues ergibt; und Offenheit für das Neue: es anzunehmen und die Entwicklungen im besten Falle mitzugestalten. Protektionismus wird die Digitalisierung, die Automatisierung und die Globalisierung nicht stoppen. Es geht wie bereits häufig in unserer Geschichte um die pro-aktive Einflussnahme. Wie machen wir es richtig, wie gestalten wir die Neuerungen, so dass wir (im besten Fall alle) profitieren?

Ein sehr guter Freund von mir entrüstete sich neulich über das Wahlkampf-Motto „Digital first, Bedenken second“. Ich denke es lag daran, dass er es als „Bedenken ja gleich mal gar nicht“ interpretiert hat, während ich die Botschaft: „Mit Bedenken first wird es schonmal nix“ darin gesehen habe. Am Ende geht es doch wieder um Stereo: wie verbinden wir schnell Digitalisierung und Bedenken, damit der Zug nicht nur in anderen Ländern abgeht, sondern damit wir hier auch vorne mit dabei sind.

3. Nagelproben und Untergänge

Viele Unternehmen werden mit ihren bisherigen Organisationsformen, Abläufen und Mindsets auf die Existenzprobe gestellt. Wir haben bereits viele namhafte Unternehmen untergehen sehen, und es wird auch weiterhin nicht allen Firmen gelingen, die Metamorphose ins 21. Jahrhundert hinein erfolgreich umzusetzen. Das bringt auch eine größere Unsicherheit für Arbeitnehmer mit sich. Und eröffnet unklare Trends, wie sich die Arbeitsmärkte entwickeln: werden wir alle Programmierer?Werden wir mehr Freelancer? Geht es um das Auswandern in die Wachstumsmärkte? Wie gesagt: nicht vorhersehbar. Was vorhersehbar ist: Parteien, die in die Bundestagswahl gehen mit dem Anspruch, dass das normale Arbeitsverhältnis das „tarifliche unbefristete“ sein wird, die haben auch eine heftige Nagelprobe vor sich.

4. Verwirrung und Spannungsfelder

Es gibt definitiv keine Blaupausen mehr dafür, was für ein Unternehmen die richtige Organisationsform und die richtigen Prozessabläufe sind. Jedes Unternehmen steht vor der Herausforderung, aus all den angebotenen Zutaten seine eigene Welt zu komponieren und die Theorien für sich zu individualisieren. Beratung ist hier ein ganz wichtiger Faktor – wenn die Unternehmen aufhören, sich Modelle von der Stange verkaufen zu lassen. Die Aufgabe ist es, die Unternehmen dabei zu unterstützen, ihren eigenen Weg gestalten zu können.

Zu jedem Trend und jeder These entsteht dabei schnell die Gegenthese. Darüber versuchen Führungskräfte und Berater sich  zu profilieren – gelesen oder gehört habe ich u.a.: „Selbstorganisation funktioniert gar nicht“; „Demokratie ist ein höchst wirksames Mittel gegen Sprunginnovation“; „Ich glaube nicht mehr an das Gute im Menschen“. Da ist es natürlich schwierig, noch durchzublicken: Was brauchen wir denn jetzt?

Deshalb: wenn Sie einen Berater suchen, kaufen Sie kein Modell, keine Theorie und keinen Namen ein, sondern suchen Sie einen Menschen, dem/der Sie vertrauen, bei der/m Sie spüren, dass er/sie Ihre Organisation und die Menschen darin versteht. Dann kann sie/er Sie dabei unterstützen, wie Sie Ihren Weg gestalten.

5. Digitale Transformation = Mensch im Fokus

Hier sind wir wieder in Stereo: die digitale Transformation bedeutet für mich, dass es uns endlich gelingen soll, den Menschen in den Fokus zu bekommen. Dass wir Unternehmen und Menschen ganzheitlich betrachten. In der großen Mehrheit der Unternehmen, die ich als Mitarbeiter von innen oder als Berater von außen kennengelernt haben, halten sich die Führungskräfte auf fachlicher, sachlicher, operativer Ebene auf. Sie halten sich an tradierten Organisationsformen und Kontrollillusionen fest, weil das einfacher und kausaler funktioniert, als sich den Themen zu stellen, die in der digitalen Transformation essentiell werden. Essentiell dafür, die Rolle des Menschen in der Zukunft zu finden. Weil wir für Themen, Werte und Tätigkeiten stehen, die sich nicht (kurzfristig) digital abbilden lassen. Stichworte wie Haltung, Kreativität, Vertrauen, Empathie, Emotionen fallen mir dazu ein. Fast maschinen-artig haben wir diese Themen über viele Jahrzehnte aus der Arbeitswelt ausgeblendet. Das geht jetzt nicht mehr.

Die Gegentrends

Noch ein paar Worte zu Marks These der Gegentrends. Das finde ich wirklich spannend: welche der Routen, die ich oder andere für grundlegend für die Zukunft halten, wird am Ende nur Schwalbe für einen Sommer sein? Prof. Dr. Christian Scholz trifft sin seinen Büchern, Artikeln und Interviews die Aussage: dass die Generation Z dann schon wieder weniger Verantwortung übernehmen möchte und klare Strukturen und Ansagen erwartet. Es bleibt also alles spannend zu beobachten und zu begleiten, was da nun wirklich auf uns zukommt.

Ich wünsche allen !me-Mitgliedern viel Spaß in Eisenach beim Debattieren von noch viel mehr Thesen!

 

Foto gefunden auf New Old Stock.

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