Schattenmotzen – Wenn die Themen nicht offen ausgesprochen werden
Kennen Sie das: Im Meeting nicken alle oder halten sich mit Anmerkungen zurück. Alle gehen von gemeinsamem Einverständnis aus. Und wenn die Kolleg*innen dann den Konferenzraum verlassen haben, geht es los: jetzt wird an den Entscheidungen herumgemäkelt, die Präsentationen und Positionen der Kolleginnen werden kritisiert.
Warum teilen die Kolleg*innen ihren Unmut nicht direkt in der Runde mit und lassen ihre Einwände und Argumente in die Entscheidungsfindung einfließen? Gemeinsam mit einem früheren Chef von mir habe ich für dieses Phänomen einmal den Begriff „Schattenmotzen“ verwendet.
Schattenmotzen in der Firma ist wie Hatespeech im Internet. Es vergiftet die Atmosphäre, es geschieht aus einem Schutz von Anonymität heraus, es gesteht nicht den nötigen Respekt zu. Es wird meistens unter Gleichgesinnten ausgetauscht – das offene Gespräch mit der „anderen Seite“ wird nicht gesucht.
Hier sind ein paar Beispiele für Ursachen von Schattenmotzen:
Ungünstiger Umgang mit Einwänden
Alle Beteiligten haben gelernt, dass sie Entscheidungen nicht wirklich beeinflussen können, weil ihre Einwände nicht gehört oder ernst genommen werden. In diesem Fall sollte die Führungsperson/Moderator*in sich fragen, ob sie eine Gesprächsatmosphäre geschaffen hat, in der unterschiedliche Meinungen wirklich zugelassen werden.
Schlechte Erfahrungen werden übertragen
Die Beteiligten haben die Annahme, ihre Einwände werden nicht gehört, haben es aber noch nicht ausprobiert. Dies passiert oft bei einem Wechsel der Führungsperson. Dabei ist es unerheblich, ob es ein disziplinarischer Vorgesetzter oder ein Projektleiter ist. Die Team-Mitglieder haben in der alten Konstellation gelernt: meine Meinung ist hier nicht erwünscht, und übertragen dies auf die neue Führungsperson
Mangelnde Verantwortungsübernahme dem Ergebnis gegenüber
Diskussionen mit Kolleg*innen oder Vorgesetzten, die anderer Meinung sind, fühlen sich natürlich anstrengend an. Die wenigsten machen sich gerne unbeliebt. Auch das Risiko, mit der eigenen Meinung nicht die Mehrheit der Kolleg*innen überzeugen zu können, vermeiden viele von uns gerne. Doch wenn ich ernsthafte Kritikpunkte habe und nicht einbringe, verhindere ich passiv ein besseres Ergebnis – für meine Gruppe und für das Unternehmen. Dafür gilt es, Verantwortung zu übernehmen.
Mangelnde Verantwortungsübernahme mir selbst gegenüber
Es kann uns auch passieren, dass wir eine Entscheidung durch Nicken oder Schweigen mittragen, und die Verantwortung für das Mittragen uns selbst dann nicht übernehmen. Wenn wir uns bewusst machen, dass wir aktiv mitentschieden haben, dann sollten wir bewusst zu dieser Entscheidung stehen. Zu oft beklagen wir allerdings an störenden Aspekten herum, anstatt uns auf das zu fokussieren, was uns vorwärts bringt.
Was können wir nun gegen Schattenmotzen unternehmen?
In den meisten Fällen haben wir einen Mix aus diesen Ursachen vorliegen. Was können wir dann tun, um den offenen Austausch unterschiedlicher Meinungen zu erreichen? Hier sind einige grundlegende Tips, die beide Seiten unternehmen können:
Verantwortung fürs eigene Handeln übernehmen
Wenn jede/r Beteiligte sich klar macht: ich trage die Verantwortung für das, was ich sage, und für die Situation, wenn ich nichts sage, dann bleibt Schattenmotzen aus. Ich akzeptiere dann die Entscheidung, gegen die ich keinen Einwand vorbringen möchte. Damit machen wir es uns leicht und sparen uns und anderen Energie.
Offene Gesprächsatmosphäre
Wenn bei Ihnen noch keine Offenheit herrscht, überprüfen Sie die Haltung, mit der Sie bisher auf die Kolleg*innen zugegangen sind: sind sie wirklich aufgeschlossen und hören sich Einwände an mit dem Bestreben, den/die Andere/n zu verstehen? Sie können auch methodisch vorgehen, um Einwände zu sammeln und zu bearbeiten. Wie Sie Offenheit in Ihrem Team oder in Arbeitsgruppen erzeugen können, beschreibe ich unter anderem in diesem Blog-Beitrag.
Echte Beteiligung
Lassen Sie es wirklich zu, dass Einwände Ihre Entscheidungen beeinflussen. Holen Sie aktiv die Meinungen und Einschätzungen der Beteiligten ein und machen Sie transparent, wie Sie sie in die Entscheidungsfindung einfließen lassen. Wenn Ihre Mitarbeiter*innen oder Ihre Mitstreiter*innen dies sehen und spüren, dann hält auch niemand mehr mit der Meinung hinter dem Berg, um sie in der Kaffeeküche auszutauschen.
Schattenmotzer direkt ansprechen
Egal, ob der Schattenmotzer ein Kollege oder ein Mitarbeiter ist: wenn jemand kontinuierlich durch Mäkeln hinter dem Rücken die Atmosphäre des Teams belastet, dann sprechen Sie ihn am besten direkt darauf an. Schildern Sie ihm Ihre Wahrnehmung und was Sie sich anders wünschen. Hören Sie auch seine Wahrnehmung der Situation an. Wichtig ist es auch hier, dass Sie verstehen, weshalb er so handelt. Schauen Sie gemeinsam, was eine gute Vereinbarung für Sie beide sein kann.
Immer Gegenfragen: hast du es ihm/ihr gesagt?
Wenn Sie in der Position sind, dass der Schattenmotzer sein verdecktes Kritisieren bei Ihnen platziert, ist die einfachste Methode, ihn genau das zu fragen: hast Du das ihm/ihr/ihnen schon gesagt? Wenn Sie ihn mit ernst gemeintem Interesse auf seinen Einflussbereich hinweisen, übernimmt er eher wieder die Verantwortung für seine Kommunikation. Wenn es Sie zu sehr anstrengt, können Sie ihn allerdings immer auch darauf hinweisen, dass Sie für diese Art von Gespräch „nicht zur Verfügung stehen“. Ich tendiere in diesem Fall meistens dazu, den Schattenmotzer leicht in Richtung Austausch und Verantwortung zu schubsen 😉
Ich wünsche Ihnen viel Verständnis!
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