Verhalten mit und ohne Haltung
Wie innere Haltung, Mitarbeiter-Orientierung, Prinzipien, Peter Würtenberger und das Silicon Valley zusammengehören.
Ich habe vor kurzem das erste Interview des Axel Springer Media Impact-Chefs Peter Würtenberger gelesen, das er der HORIZONT (Nr.24, 13.06.13) nach seinem 8-monatigem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten gab. Er begeisterte sich darin für 5 wesentliche kulturelle Unterschiede zwischen den „Top Playern des Silicon Valley“ und deutschen Medien-Unternehmen. Neben Aspekten wie Investition in Technologie, Speed-to-Market und einer geringeren Scheu vor dem eigenen Scheitern bezeichnete er als „vielleicht wichtigsten kulturellen Punkt“ die starke Mitarbeiter-Orientierung der Firmen dort.
Dass dieser prominente Kopf der deutschen Marketing-Landschaft das Thema Mitarbeiter-Kultur so hoch hängt, freut mich enorm. Denn der Zusammenhang zwischen einer hohen Priorisierung des Miteinanders und den zählbaren Erfolgen in einem Unternehmen wird immer noch an jeder zweiten Ecke ignoriert – mit negativen Folgen für die Mitarbeiter und die Unternehmenserfolge. Wenn das Haus Springer hier Neuerungen durchführt, wird das sicher für einige Unternehmen Beispiel-Charakter entwickeln. Allerdings beantwortet das Interview nicht die Frage: hat sich bei Springer vor der Expedition ins Valley für dieses Thema keiner interessiert? Die Informationen sind keine sensationelle Ausgrabung, für die man persönlich in ein Flugzeug steigen muss. Die Erkenntnisse liegen lange vor: Fachzeitschriften, Sachbücher, Berater und Trainer beten sie seit einigen Jahren herunter.
Für mich verweist dieses Interview auf eine Lücke, die immer existiert und die jeder von uns bestmöglich schließt, wenn er erfolgreich seine Ziele erreichen möchte: die Lücke zwischen der eigenen Haltung und dem Verhalten den anderen gegenüber. Speziell für Führungskräfte ist dies ein enorm wichtiger Reflektionsprozess. Keiner kann sich Mitarbeiter-Orientierung, wertschätzende Kommunikation und Empathie wie bei einem schnellen Kostümwechsel überwerfen. Als bloßes Tool funktionieren sie nicht. Sie wirken nur, wenn ich sie aufrichtig meine. Wenn ich dabei meinen eigenen Prinzipien folge, die ich verinnerlicht habe. Z.B. den Grundsatz, andere so zu behandeln, wie ich selbst behandelt werden möchte. Oder die Überzeugung, erst den anderen zu verstehen, bevor ich verstanden werde. Sehr schön aufgezeichnet hat die Beziehung zwischen Prinzipien und persönlichem Erfolg Stephen Covey (1932-2012) in „The 7 Habits of Highly Effective People“.
Und deswegen ist es so wichtig, das Peter Würtenberger eine so lange und intensive Zeit im Valley verbracht hat: er war nun live vor Ort, hat gesehen, erlebt und gefühlt, welchen Spirit, welche Produktivität und welche Geschwindigkeit die Unternehmenskulturen dort ermöglichen. Hätte er in seinem Unternehmensbereich vorher versucht eine solche Kultur zu implementieren, weil Berater es ihm vorgeschlagen oder der Personalvorstand ihn dazu gedrängt hätten – es hätte voraussichtlich so lange nicht Früchte getragen, bis er als Führer dieses Bereichs selbst daran geglaubt hätte. Bis er selbst die innere Haltung angenommen hätte, auf diesem Wege erfolgreich zu sein.
Und neben der Lücke zwischen der inneren Haltung und dem äußeren Verhalten führt dieses Beispiel zu einem weiteren „Naturgesetz“ der persönlichen Weiterentwicklung und der Personalentwicklung: wenn Sie etwas ändern wollen, dann bedarf es der intensiven Beschäftigung, des Investierens von Zeit und Kraft und des hartnäckigen Dranbleibens. In 8 Tagen Kalifornien hätten seine Erkenntnisse Herrn Würtenberger nicht so durchdrungen wie in 8 Monaten. Was Sie sich also auch vornehmen, ich empfehle Ihnen: meinen Sie es aufrichtig! Und bleiben Sie dran!