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Vielen Dank für diese Frage. Ich beantworte eine andere.

Vielen Dank für diese Frage. Ich beantworte eine andere.

Vielen Dank für diese Frage. Ich beantworte eine andere.

Wie das Hirn uns vor anstrengendem Denken beschützt. Und wie wir zuhören, um zu antworten anstatt zu verstehen.

Achten Sie mal einen ganzen Tag lang darauf, was die Menschen Ihnen antworten. Im beruflichen oder im privaten Umfeld. Oder auch beim Einkaufen. Überprüfen Sie, ob die Antwort, die sie erhalten, wirklich Ihre Frage beantwortet.

„Vielen Dank für diese Frage. Ich beantworte eine andere,“ ist eigentlich eine komödiantische Übertreibung auf Politiker. Sie kennen das: in Interviews beten unsere Politiker ihre Standpunkte herunter, anstatt auf die Fragen des Journalisten einzugehen. Doch auch im Alltag gehen wir selbst oft nicht darauf ein, was der andere fragt. Und noch viel weniger darauf, was der andere mit seiner Frage erreichen möchte. Dafür gibt es verschiedene Gründe.

1. Unser Gehirn vermeidet rational-analytische Lösungsarbeit

Dieser Grund ist uns selbst nicht bewusst: unser Gehirn ersetzt Fragen, wenn sie zu schwierig oder komplex sind durch einfachere Fragen. Das Gehirn ist darauf programmiert, mit dem effizientesten Energie-Aufwand dafür zu sorgen, dass es uns gut geht. Emotional und physisch strebt das Gehirn Sicherheit, Ernährung und Wohlbefinden an. Fragen, auf die wir keine schnellen intuitiven Antworten geben können, müssen wir verstehen. Ihre Bestandteile müssen analysiert werden, die Antwort oder Lösung will Schritt für Schritt erarbeitet werden. Das kostet uns Energie. Rationale Prozesse haben einen erhöhten Energieverbrauch und sind deshalb „ein besonderes Werkzeug“ des Gehirns und stellen einen Zustand dar, „der tunlichst zu vermeiden und nur im Notfall einzusetzen ist“ (Gerhard Roth). Also geben wir eine Antwort auf eine leichtere Frage. Schnell, intuitiv und selbstverständlich.

2. Wir wollen lieber verstanden werden als zu verstehen

Beobachten Sie Ihre eigenen Gespräche oder die von anderen: sehr häufig sind wir nicht darauf aus, den anderen zu verstehen. Wir hören zu, um dann auch etwas zu sagen, um dann von uns selbst zu sprechen, um von unserem Gegenüber verstanden zu werden. Die assoziativen und intuitiven Prozesse in Ihrem Gehirn schlagen laufend vor: was kann ich zu dem Thema sagen, welche Fragen habe ich dazu. Es fällt uns viel schwerer und erfordert viel Übung, den anderen erst einmal ganz verstehen zu wollen. Zu berücksichtigen: warum stellt er oder sie mir diese Frage, was sind die Beweggründe und welche Antwort kann ich geben, um der anderen Person stimmig bei ihrem Problem zu helfen?

3. Einige Antworten mögen wir nicht aussprechen

Dass viele Menschen nicht „Nein“ sagen möchten, weil sie das negative Feedback darauf scheuen, kennen Sie. Auch „Ich weiß das nicht“ und „Das kann ich nicht“ sind zum Beispiel Antworten, die die meisten von uns vermeiden. Dafür gab es früher schlechte Schulnoten oder abwertendes Feedback von Eltern oder Gleichaltrigen. Also mögen wir das auch im erwachsenen oder im professionellen Kontext nicht antworten. Kann aber blöd aussehen, wenn ich versuche auf eine Frage eine Antwort zu konstruieren. Die soll kompetent wirken – aber ich habe keine Ahnung vom Thema. Sich hier Zeit und Informationen zu verschaffen macht dann mehr Sinn. Oder auf einen echten Experten zu dem Thema zu verweisen. Da haben wir alle mehr davon.

4. Bewusste Fragetechnik

Es kann natürlich auch sein, dass Sie einfach nicht antworten wollen. Wie der Politiker im Interview. Oder wenn Sie sich in einem Gespräch befinden, bei dem Ihr Gesprächspartner selbst eine Lösung zu finden hat. Zum Beispiel in einer klassischen Situation unter Kollegen oder auch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Die andere Person versucht vielleicht von Ihnen ihre Problemlösung erledigen zu lassen. Dann ist das bewusste Auslassen einer konkreten Antwort Ihre Gesprächstechnik. Sie stellen eine Gegenfrage oder geben Tips, damit der andere auf seine Lösung kommen kann.

Also, achten Sie mal drauf, ob sie echte Antworten bekommen. Und wenn Sie häufig das Gefühl haben, dass die Antworten nicht passen, dann steigern Sie das Spiel einmal: Fragen Sie jedes Mal nach, ob Sie bitte eine richtige Antwort auf ihre Frage bekommen können.

Kahneman, D. (2011). Thinking Fast and Slow. Farrah, Straus & Giroux: New York.

Covey, S. (2004). The 7 Habits of Highly Effective People. FreePress: New York.

Roth, G. (2001). Fühlen, Denken, Handeln. Suhrkamp: Frankfurt am Main.

Photo: Public Domain

Trennschärfe und Trennfreude - Wie wir mit pedantischer Präzision schneller ans Ziel kommen können.

Trennschärfe und Trennfreude

Trennschärfe und Trennfreude

Wie wir mit pedantischer Präzision schneller ans Ziel kommen können.

Ich arbeitete in den vergangenen zwei Jahren mit einem Team zusammen, dass ich in eine neue Organisationsform bringen sollte. Wir hatten viele inhaltliche Themen, viele organisatorische Themen, viele Reibungspunkte und oft lange Diskussionen. Durch den Verlauf unserer Gespräche wurde ich einige Male an einen Appell erinnert, den Friedemann Schulz von Thun und Eberhard Stahl in einer Abendvorlesung an der Universität Hamburg an das Plenum richteten: Trennschärfe und Trennfreude seien die effektivsten Werkzeuge, um Konflikte zu lösen, um „Teufelskreise“ in der Kommunikation aufzubrechen, um die Motive des Anderen zu erkunden und die eigenen Bedürfnisse offen zu legen. Ein Aufruf zur Genauigkeit, ja geradezu zur Pedanterie in der Kommunikation, um keinen Raum für Missverständnisse, Annahmen und Unterstellungen zu lassen.

Da ich grundsätzlich mit einem leichten Hang zur Erbsenzählerei ausgestattet bin, rannten die Herren in jener Vorlesung bei mir offene Türen ein. In der Arbeit in dem Team erlebte ich allerdings ganz faktisch den positiv aufklärenden Effekt von beharrlicher Trennschärfe. Wir führten eine Besprechung über ein Event, in dessen Rahmen unser Unternehmen der Öffentlichkeit große Neuigkeiten mitteilen wollte und starteten mit einem Konzept, das zwei Durchläufe vorsah: einen am Nachmittag und einen am Abend des gleichen Tages. Gäste sollten Medienvertreter, Distributionspartner, Endkunden und weitere Geschäftspartner des Unternehmens sein. Ein Mitglied in unserem Team, der PR-Leiter, trat in der Diskussion gegen die Idee der zwei Durchläufe an. Um die Idee nicht leichtfertig vom Tisch wischen zu lassen, wollte ich herausfinden welche Argumente er hatte. Waren es Machbarkeitsbedenken oder logistische Hürden? Waren es Probleme, die wir lösen konnten oder Mehrkosten, die wir hätten finanzieren können? Er führte eine Reihe von Argumenten an, die wir in der Runde besprachen und für die wir Lösungsvorschläge erarbeiteten. Wie konnten wir sicherstellen, dass unsere Neuigkeiten in der zweiten Runde wirklich noch neu waren und sich nicht bereits nach dem ersten Durchlauf über soziale Medien verbreiteten? Was war die richtige Zeitspanne für die Reinigung und den Umbau zwischen den Durchläufen? Welche Teilnehmer kommen in den ersten, welche in den zweiten Event?

Als wir alle diese Themen, Fragen und Bedenken bearbeitet hatten, äußerte der PR-Leiter ein weiteres Gegenargument. Dass wir nicht in der Lage wären, genug Teilnehmer und Gäste zu locken, um beide Durchläufe wirklich zu füllen. Dies war ein ganz anderes Thema als jene, die er bisher vorgebracht hatte. Also entstand bei mir der Verdacht, er wäre grundsätzlich gegen das Konzept und griffe nach jedem beliebigen Argument. Als wir uns dieses neue Thema jedoch genauer ansahen, stellten wir fest, dass wir als Gruppe dieses Risiko ebenfalls sahen und dass wir nicht die Mittel hatten, um es aus eigener Kraft zu reduzieren. Wir einigten uns auf die Reduzierung auf einen Durchlauf, um unsere Neuigkeiten zu verkünden.

Mit mehr Trennschärfe und Trennfreude hätten der PR-Leiter und ich viel leichter an diesen Punkt kommen können, und dem Team die lange Sitzung erspart. Wenn der PR-Leiter sich selbst genauer gefragt hätte: was ist es wirklich, was mich an dem Konzept stört, hätte er nicht eine lange Reihe von Argumenten ins Spiel gebracht, sondern uns gleich auf des Pudels Kern geführt. Wenn ich als Moderator der Runde gleich eine Sammlung aller Argumente eingeleitet hätte und eine klare Trennung der Themen in: welche können wir lösen/beeinflussen und welche nicht, dann wären wir schon am Ziel gewesen.

Photography by Jarosław Puszczyński (CC0 License)

Dickes Fell oder dickes Feedback?

Dickes Fell oder dickes Feedback?

Dickes Fell oder dickes Feedback?

Welche Lösung liegt in meinem Einflussbereich, wenn das Verhalten meines Gegenübers mich stört?

Häufig begegne ich Menschen, die mit jemand Anderem ein Problem haben. Genauer gesagt: mit der Art oder dem Verhalten der/des Anderen. Sie fühlen sich beeinträchtigt, gestört, gereizt oder sogar provoziert, weil etwas an dem/der Anderen sich mit ihnen nicht verträgt. Die andere Person oder ihr Verhalten entspricht nicht dem eigenen Verständnis und der eigenen Erwartungshaltung. Vielleicht benehmen sie/er sich in Widerspruch zu meinen eigenen Werten oder ich empfinde sie als übergriffig in meinen persönlichen Bereich. Sie können auch ein ungelöstes Thema antriggern, das ich in mir selbst trage. Eine üppige Vielzahl an Ursachen kann dafür sorgen, dass zwei Menschen nicht nur eine unterschiedliche Wellenlänge haben, sondern dass einer sogar richtig genervt oder verärgert ist.

Viele Menschen reiben sich daran auf, verfallen in eine Serie von immer gleich verlaufenden Scharmützeln mit der anderen Person. Einige pflegen regelrecht ihren Konflikt mit dem/der anderen. Das erinnert dann an Don Camillo und Peppone oder an die eskalierenden Nachbarschaftsstreits aus der Boulevardpresse. Vielleicht greifen sie auch nach der Möglichkeit zu Vermeidungsstrategien und gehen einander aus dem Weg. Das kann im Beruf allerdings negative Auswirkungen haben, wenn bestimmte Ergebnisse von der Zusammenarbeit mit meinem „schwierigen“ Gegenüber abhängen. Oder in der Familie, in der man sich zu bestimmten Zeitpunkten eben doch wieder zusammenfindet – und dann direkt zu Feiern und Festen, wo nun wirklich keiner Störungen und Sticheleien wünscht.

Selten habe ich es gehört, dass jemand solch eine Situation für sich selbst so löst: „Der ist halt so. Das hat mit mir nichts zu tun.“ Bewusst fallen mir sogar nur zwei Menschen, die mir erzählten, wie sie diese Konstellation aufgelöst haben, indem sie sich in Bezug auf ihre „Reizfigur“ ein dickeres Fell zugelegt haben. Sie haben sich m.E. erfolgreich darauf konzentriert, was in ihrem eigenen direkten Einflussbereich liegt, um die Situation für sich selbst angenehmer zu gestalten. So konnten sie erreichen, dass sie selbst erlebten, dass der andere Mensch mit seinem Verhalten keinen negativen Affekt mehr in ihnen hervorrufen konnte.

Den meisten von uns fällt das mit dem dicken Fell schwerer. Sicherlich auch in Abhängigkeit davon, was denn die Ursache für das Störungs-Gefühl ist. Wenn mein Gegenüber in mir auf unbewusster Ebene die Erinnerung an negative Erfahrungen weckt. Wenn ihr/sein Verhalten ein ungelöstes Thema in mir selbst „anspielt“ – dann hat das Wachsen lassen eines dicken Fells geringe Aussichten auf Erfolg. Denn das negative Gefühl, das ausgelöst wird, schlummert ja bereits in mir. Da hilft mir nicht einmal ein Mammutfell oder die Fettschicht eines Wals.

Neben dem sorgfältigen Aufspüren, was denn da in einem Selbst so gereizt anspringt auf die/den Gesprächspartner/in oder Arbeitskollegin/en, gibt es eigentlich nur eine Route, die Hoffnung macht auf eine Veränderung der unangenehmen Situation: das direkte Feedback. Und wenn ich im Titel „dickes“ Feedback schreibe, meine ich damit nicht, dass Sie Ihrem Gegenüber mal so richtig die Meinung geigen sollen oder dass Sie sich mit ihm in einen zweitägigen Workshop zurückziehen müssen. Ich meine damit: machen Sie es rund! Packen sie hinein, was ein anderer Mensch braucht, um ihr Feedback annehmen und verstehen zu können:

  1. Die subjektive Perspektive. Bitte versuchen Sie nicht etwas objektiv festzustellen oder zu beschreiben: Sie nehmen die Situation oder das Verhalten ganz subjektiv wahr. Wenn das Feedback gelingen soll, drücken Sie ihre subjektive Empfindung genau so aus.
  2. Benennen Sie ganz konkret, wo Ihnen der Schuh drückt – umschreiben Sie es nicht, reden Sie nicht darum herum. Beschreiben Sie die Auswirkungen auf Sie: was ist die Konsequenz aus der Situation, die Sie verändert haben möchten.
  3. Was ist Ihre Motivation dabei – geben Sie dem Gegenüber die Chance zu verstehen, was bei Ihnen oder für Sie durch sein Verhalten ausgelöst wird. Und wenn Ihr Gesprächspartner schafft, sich auf Ihr Feedback einzulassen, treffen Sie gerne eine Vereinbarung. Schaffen Sie gemeinsam mit ihm eine in der Zukunft belastbare Verabredung, die Klarheit und Zufriedenheit für beide Seiten bringt.

Wenn Sie das Feedback nicht suchen, treffen Sie keine Vereinbarung. Dann überlassen Sie es dem Zufall, ob die Situation sich für Sie verbessert. Wenn Sie das Gespräch suchen, haben Sie die Chance eine Vereinbarung zu treffen: einen Deal für die Verbesserung der Situation. Falls das nicht klappt haben Sie und Ihr Gegenüber jeder eine neue Perspektive auf das Thema gewonnen. Auch darüber kann sich die Situation zu Ihren Gunsten verändern. Wenn Sie eine Vereinbarung getroffen haben, kann es Ihnen immer noch passieren, dass Sie oder Ihr Deal-Partner vergessen, sich daran zu halten. Dann kann jeder von Ihnen ganz gelassen auf den anderen zugehen und sagen: „Wir hatten einmal etwas vereinbart. Können wir darauf zurückkommen?“ Im besten Fall treffen Sie eine Vereinbarung, beide halten sich daran, und Ihre Kooperation, Ihre gemeinsamen Ergebnisse oder eben die jeweilige Zufriedenheit verbessern sich. Das alles scheint mir sinnvoller, als die Situation so laufen zu lassen, wie sie ist.

Verantwortung für die Arbeitsbeziehung

Es ist doch nicht meine Aufgabe, den Kollegen zu erziehen!

Es ist doch nicht meine Aufgabe, den Kollegen zu erziehen!

Der schwierige Zugang zur eigenen Verantwortung für die Arbeitsbeziehung unter Team-Mitspielern

Ich bin erstaunt darüber, wie oft ich diesen Ausruf in letzter Zeit hörte: Es ist doch nicht meine Aufgabe, den Kollegen zu erziehen! Haben Sie das auch schon einmal gedacht oder gesagt oder gehört? Ich habe diesen Ausruf ausnahmslos in Situationen gehört, in denen ein Konflikt vorlag: unter Kollegen und in Vorgesetzten-Mitarbeiter-Konstellationen. Unter Konflikt verstehe ich hier: eine Person hat das Verhalten des Kollegen/Vorgesetzten/Mitarbeiters erlebt und daraus für sich negative Konsequenzen erfahren: eine Verletzung, ein Missachtung, die Nicht-Erfüllung einer Absprache oder eine unausgesprochenen Erwartung. Wenn die Person dies nicht herunterschluckt, stumm aussitzt oder sich eine stille Notiz macht, die es später zu vergelten gilt; wenn sie stattdessen ihrem Unmut Luft macht und ihre Frustration und Enttäuschung zum Ausdruck bringt ist das vor allem eins: gut. Die Situation zu thematisieren und auszusprechen lässt aufgestaute Emotionen raus. Im Gespräch bietet sich sogar die Möglichkeit der Reflektion und des Einnehmens neuer Perspektiven auf die Situation.

Allein das „wie mache ich mir Luft und wohin“ birgt den Unterschied zwischen einer effektiven Bearbeitung der Situation und einer kontraproduktiven Verpuffung. Wenn die Person auf den Kollegen/Vorgesetzten/Mitarbeiter zugeht, und ihm schildert, wie er die Situation erlebt hat und was er sich stattdessen in der Zusammenarbeit wünscht: Dann entsteht die Chance von Entwicklung und Verbesserung in der Arbeitsbeziehung. Dann gibt es die Möglichkeit, die Sichtweise des Anderen kennen zu lernen; die Informationen beider Beteiligter zu vervollständigen; und Vereinbarungen zu treffen, auf die beide Seiten sich berufen können.

Wer allerdings den oben geschilderten Weg wählt: einem Dritten gegenüber seinen Unmut auszudrücken und dann sogar das Gespräch mit dem Anderen abzulehnen – weil es ja „nicht meine Aufgabe ist, dem anderen beizubringen,“ wie er sich zu verhalten habe – dann führt dies zu einer Verschärfung der Situation auf allen Ebenen. Und zu einer Verschärfung der Frustration bei Ihnen als Betroffenem:

  1. Sie beurteilen, was der Kollege/Mitarbeiter/Vorgesetzte Ihrer Meinung nach zu tun hat. Indirekt sprechen sie ihm damit die Kompetenz ab, dies für sich selbst zu bestimmen. Ein Treffen auf Augenhöhe ist damit schon nicht mehr möglich. Sie haben sich „über“ ihn gestellt.
  2. Der Kollege weiß nicht, dass Sie eine andere Sichtweise haben. Er erfährt nicht, dass Sie sein Verhalten als unzuträglich für das Erreichen gemeinsamer Ziele halten. Sie enthalten ihm eine Perspektive vor, die für seinen oder ihren gemeinsamen Erfolg hilfreich sein könnte.
  3. Sie nutzen Ihren direkten Einflussbereich (das offene Gespräch mit dem Anderen) nicht aus und legen die Verantwortung für die Arbeitsbeziehung zu ihm ab. Sie geben sich selbst das Gefühl von Ohnmacht.
  4. Sie klagen Ihr Leid einem Dritten, der wahrscheinlich keinen direkten Einfluss auf die Situation hat. Damit belasten Sie eine weitere Beziehung, egal ob er mit Ihnen übereinstimmt oder ob er sich fragt, warum sie Ihre Verantwortung für das Miteinander nicht übernehmen – Freude bereitet solch ein Gespräch nie.

Es kann also in keinem Falle hilfreich sein oder der Lösung näher kommen oder ein gutes Selbstgefühl bei uns erzeugen, wenn wir nicht die direkte Ansprache wählen. Was uns zu einem vielzitierten und doch unglaublich schwer umsetzbaren Motto bringt: „Ich rede mit den Kollegen – nicht über die Kollegen.“ Schaffen Sie oder ich das lückenlos und jeden Tag? Vermutlich nicht. Werden unsere Arbeitsbeziehungen, unsere Ergebnisse und unser eigenes Wohlgefühl besser, wenn wir es trotzdem jeden Tag etwas mehr versuchen? Auf jeden Fall.

Foto: CC0 License

Mario Götze „passiert so etwas nie wieder“

Mario Götze „passiert so etwas nie wieder“

Darüber, wie wir Neues lernen

Der Fußball-Profi Mario Götze hat in den vergangenen Monaten außerhalb des Spielfelds mehr Schlagzeilen gemacht als darauf: er tauchte erst bei seiner Präsentation als Neuverpflichtung des FC Bayern in einem Nike T-Shirt auf, was als Provokation und Affront gegenüber dem langjährigen offiziellen FCB-Ausrüster (und -Gesellschafter) Adidas aufgefasst wurde. Und wenige Wochen später erschien er bei der seit vielen Jahren von Adidas ausgestatteten DFB-Nationalmannschaft in Nike-Strümpfen. Im ersten Fall wurde Götze vom Verein mit EUR 20.000 Geldstrafe belegt. Bei der Nationalmannschaft, bei der die Spieler nicht unter Vertrag stehen, ging es weniger drastisch zu. Interne wie öffentliche Schelte verschärften sich allerdings.

Wenn wir unbeachtet lassen, dass Götze absichtlich oder im Auftrag seines persönlichen vertraglichen Ausstatters Nike gehandelt haben könnte, ergibt dies ein Paradebeispiel dafür, wie wir Menschen lernen, vor allem wenn es um das eigene Verhalten geht: nämlich schwierig, langsam und mit heftigen Rückfällen in alte Muster. Ein einmaliger Impuls: eine neue Information, mit der ich schneller arbeiten kann; ein Lerneffekt aus einem Fehler, den ich begangen habe; eine neue Technik, mit der ich mehr Ideen generieren kann – ein einmaliger Impuls reicht nicht, damit ich anschließend nur noch diesem Impuls entsprechend handle. Jahre der Kindheit und der Jugend, Jahre im sozialen Miteinander mit anderen und Jahre im Beruf haben mein Verhalten geprägt, haben Muster geformt. Und mein Unterbewusstsein hilft mir, in dem es mich diese Muster abspulen lässt, ohne dass ich darüber nachdenken muss. 

Der Vorsatz meines Unterbewusstseins mag ein nobler sein: nämlich die Entlastung meines Bewusstseins, das sonst in jeder Sekunde 11 Millionen Sinnes-, Gefühls- und Wissensreize verarbeiten müsste: eine nicht zu bewältigende Aufgabe. Wie gut, dass das Unterbewusstsein so viel filtert und den Autopiloten abspult! Das Ergebnis ist trotzdem zwiespältig: ich kann aufgrund neuer Informationen nicht vollkommen frei wählen, ab morgen anders zu kommunizieren oder zu führen, meine Körpersprache anders zu steuern. Das führt dazu, dass viele Menschen in Seminare und Kurse laufen und dass sie hinterher trotzdem nicht viel ändern, nicht viel umsetzen. Ich kann nicht auf Knopfdruck meine Verhaltensmuster modifizieren. Keiner, oder zumindest die Wenigsten von uns können das. Aber wir können es üben, wir können es wie die Fußballer trainieren: durch Wiederholen, durch Nicht-Nachlassen. Wenn wir unser Selbstwertgefühl nicht dadurch verletzen wollen, dass wir uns etwas vornehmen und dann nicht umsetzen, dann müssen wir es sogar üben. Dann wird für uns persönlich auch aus jedem Buch und jedem Seminar ein Meilenstein der Entwicklung und Veränderung.

Wissenschaftlich ist das darin begründet, dass unser Gehirn Informationen in Form von neuronalen Netzen abspeichert: zu jeder Information wird ein Netz gesponnen aus den Sinneswahrnehmungen, den Gefühlen und den Reaktionen, die wir zu dieser Information hatten. Je häufiger das gleiche Netz aus Sinneswahrnehmungen, Gefühlen und Reaktionen angesprochen wird, desto stärker bilden sich die neuronalen Verbindungen: das Netz besteht nach häufigen Wiederholungen aus dicken Tampen und nicht mehr aus hauchdünnen Spinnenfäden. Eine neue Information als ganz fragiles Konstrukt soll nun also gegen die dicken Taue des eingefahrenen Neuronenmusters antreten. Sie werden das neue neuronale Netz erst trainieren müssen, seine Fäden zu Seilen anschwellen lassen. Und das alte Muster müssen Sie erschlaffen lassen, Sie dürfen ihm keine Impulse mehr zuführen.

Der einmalige Eklat hat für Mario Götze nicht gereicht, um entweder seine Haltung gegenüber den Geschäftspartnern zu korrigieren oder einfach beim Griff in den Kleiderschrank die Augen aufzumachen. Nun ist es spekulativ, Mario Götze keine Absicht oder eben doch Absicht zu unterstellen. Keiner wird exakt herausfinden, ob er an dem jeweiligen Morgen wirklich über sein T-Shirt oder seine Kompressionstrümpfe nachgedacht hat. Oder ob sein Nike-Betreuer ihm einen fetten Scheck zugesteckt hat. Und ob sich das überhaupt gelohnt hätte – denn im Umfang hatten die Marken „Götze“, „Adidas“ und „Nike“ ja gemeinsam den höheren Ausschlag an Abdrucken und Page Impressions, da konnte ja keiner dem anderen davon ziehen. Wobei Adidas mit seiner souveränen Haltung, das Thema nicht aufzubauschen und „seinen Partnern zu vertrauen“, positiver wegkommt als der junge Star in Nike.

Wenn Mario Götze am Ende dieser Geschichte sagt: „Eins kann ich versprechen, so etwas wird mir ganz sicher nicht mehr passieren,“ dann hat das nach dem zweiten Fauxpas schon eine höhere Wahrscheinlichkeit. Ein stärkeres neuronales Netz schafft er sich, wenn er einen Post-It an seinen Kleiderschrank macht. Den kann er nach ein paar Wochen wegschmeißen, wenn er sich daran gewöhnt hat, jeden Tag vor dem Griff nach den geliebten Nike-Artikeln zu überlegen, ob heute noch ein wichtiger Presse-Termin ansteht.

Matching the Maps

Matching the Maps

Wie man mehr versteht und besser verstanden wird, wenn man sich um die inneren Landkarten anderer bemüht.

Letztes Jahr in einer Vorlesungsreihe des Schulz von Thun Instituts wurde ich mit dem Appell konfrontiert: „Erwarte Differenzen und begrüße sie, denn die Wahrheit beginnt zu zweit“. Obwohl das inzwischen einer meiner Lieblingssätze ist, bedeutet er eine Haltung, die ich selten instinktiv einnehme und die auch nicht immer zu meiner Verfügung steht. Woran ich arbeiten möchte, denn es ist eine tolle Formel, wann auch immer man (mindestens) zu zweit in eine Kommunikation/Zusammenarbeit/Partnerschaft eintritt.

Unter dem Titel „Die Wahrheit beginnt zu zweit“ gibt es auch einen Ratgeber von Michael Lukas Moeller,  der sich auf Paare konzentriert. Aber die Formel kann viel universeller auf alle Zweier- und Mehrfach-Konstellationen angewandt werden: Eltern/Kind, Führungskraft/Mitarbeiter, Projektleiter/Team-Mitglied, Kollegen, Verwandte und Freunde. Sie basiert darauf, dass jeder seine Umgebung ganz individuell wahrnimmt. Dass alle Farben, Temperaturen, Räumlichkeiten, Gerüche, Berührungen und Klänge durch unsere Sinnesorgane und Nervensysteme bei jedem von uns ganz individuell verarbeitet und empfunden werden. Und teilweise sehr unterschiedlich. Die eine objektive Wahrheit scheint es nicht zu geben: wie war es denn wirklich? Was wurde wirklich in der Besprechung gesagt? Wie lange haben wir wirklich dafür gebraucht?

Häufig reden wir dann davon, dass wir uns jetzt mal auf Objektivität besinnen müssen, dass wir eine Sache neutral beurteilen wollen, dass wir die Fakten in einem Protokoll festhalten wollen. Geht gar nicht. Keiner von uns kann das. Auch wenn zu zweit die Wahrheit beginnt, so wird sie dennoch nicht erreicht. Ein dritter oder vierter Kollege würde das Protokoll noch anders formulieren, hat diese oder jene Priorisierung doch noch anders verstanden. Obwohl wir alle dabei waren, erwachsene Menschen, Profis, der gleichen Sprache mächtig. Aber immerhin: wenn wir zu zweit anfangen, gleichen wir unsere Wahrnehmung ab. Wenn wir Differenzen erwarten und wenn wir sie zulassen, dann lassen wir zusätzliche Impulse und Wahrnehmungen unserer Umgebung zu, die uns selbst nicht zur Verfügung standen: wir kommen der Objektivität ein bisschen näher.

In der Kommunikationspsychologie ist die Metapher für die individuelle Wahrnehmung die innere Landkarte. Und wir sprechen davon, dass die Landkarte nicht das Gebiet ist. Sie bildet Aspekte eines Areals ab: die Aspekte, die man selbst herausgefiltert hat. Die unser Unterbewusstsein aus Millionen von Reizen, die minütlich auf uns einströmen, als relevant heraussortiert und auf unsere Karte gezeichnet hat. 

Stephen Covey (1932-2012) schilderte in „The 7 Habits of Highly Effective People“ den Weg, seine innere Landkarte mit den Landkarten anderer abzugleichen als einen der Wege persönlich effektiver und erfolgreicher zu werden. Besser zu verstehen und dann auch besser verstanden zu werden. Für mich klingt es bei ihm manchmal, als könne man dadurch etwas wie Objektivität erreichen. Ich glaube, dass das nicht geht. Und ich habe mittlerweile auch den Eindruck, dass wir nicht nach Objektivät streben müssen. Da die Subjektivität allgegenwärtig um uns herum absolut ist, und weil wir sie auch als Kraft und als Chance nutzen können. Gleichzeitig finde ich Coveys Appell, die eigene Landkarte immer weiteren Abgleichen mit anderen zu unterziehen richtig und förderlich für die eigene Entwicklung und für die eigenen Fähigkeiten.

Unterm Strich ist es wie in „The Matrix“, wenn Morpheus die rote und die blaue Kapsel anbietet. Eigentlich liegen alle Menschen inaktiv in Flüssigkeit und dienen den Maschinen als Energiequelle. Die Wahrheiten dieser Menschen sind manipulierte Illusionen. Neo wählt die rote Kapsel, er will aus der Illusion ausbrechen, aufwachen, die Wahrheit sehen. Diese rote Kapsel gibt es für uns so nicht. Aber ich kann Sie nur alle bitten: geben Sie sich nicht mit der blauen zufrieden. Mit ausschließlich Ihrer eigenen Illusion beziehungsweise mit ihrer eigenen Wahrnehmung. Erwarten Sie Differenzen und begrüßen Sie sie. Wenn nicht die Wahrheit, so beginnt doch zumindest die bessere Landkarte zu zweit.

Die Wahrheit beginnt zu zweit

Die Wahrheit beginnt zu zweit

Über das Essay von Klaus Eidenschink – er schreibt, dass erfolgreiche Führung nicht in der Kompetenz der Führungskraft liege.

In der Ausgabe 3/13 von „wirtschaft + weiterbildung“ schreibt der Executive Coach, Konfliktmoderator und Berater Klaus Eidenschink die Titelstory „Mythos Führungsstärke“. Seiner Meinung nach trägt auch der Mitarbeiter eine Verantwortung für die erfolgreiche Führung durch den Chef: durch das bewusste „Sich-führen-lassen“. Er sieht hier Schulungs- und Beratungsbedarf bei den Mitarbeitern. Ich möchte seine Thesen kurz zusammen fassen und dann vor allem darauf eingehen, welche Reaktionen der Artikel in mir ausgelöst hat.

Die Argumentation Eidenschinks ist für mich schlüssig und nachvollziehbar: wenn eine Führungskraft Einfluss nehmen soll, müssen die Mitarbeiter die Einflussnahme zulassen. Die Macht, die ein Chef ausüben soll, kann ihm nur von unten verliehen werden. Allerdings bringe jeder Mitarbeiter in das Arbeitsverhältnis alle ungelösten Autoritätskonflikte seiner Lebenserfahrung mit ein. Erwartungen, Hoffnungen und Frustrationen aus der Vergangenheit mit den Eltern, Lehrern und ähnlichen Führungsfiguren würden auf die Führungskraft projiziert. Und dass der/die Vorgesetzte diese „Gemengelage“ alleine lösen solle, sei „schlicht eine Überforderung“. Als Schluss daraus fordert er, dass Unternehmen nicht alleine in Fortbildungsprogramme für Führungskräfte investieren, sondern auch für die Mitarbeiter. Für ein besseres „Wie-lasse-ich mich-führen“ sieht er den Schlüssel in einer Autonomie des Mitarbeiters, der sagen kann: „Keiner hat Macht über mich, außer ich gebe sie ihm“. Der sich eine Unabhängigkeit von der Führungskraft bewahrt und die Verantwortung für seine eigene Motivation und Leistung zu sich selbst nimmt, anstatt sich als Opfer der unvollkommenen Führungskraft zu sehen. Führungsstärke wird dann nicht mehr Merkmal einer Person, sondern der Beziehung zwischen den Beteiligten.

Das Essay brachte mich richtig in Wallung. Die Idee von „Wie-lasse-ich-mich-führen-Schulungen“ fand ich zuerst provokativ. Dann spekulativ. Die Entlastung, ja geradezu Demontage der Führungskraft von ihrer heiklen Verantwortung als souveräne Autorität fand ich verkehrt – darin lag in meiner Sicht immer die ureigene Kompetenz einer/s Vorgesetzten. Die Thesen die hinter Eidenschinks Ausführung stehen, decken sich allerdings mit meinen Ansichten: dass Macht von unten verliehen wird, nicht von oben. Dass nicht nur Vorgesetzte, sondern gerade in der heutigen Arbeitswelt Mitarbeiter Schulungen benötigen in Selbststeuerungskompetenzen, in der richtigen Kommunikation für die Abstimmung mit der Führungskraft. Dass „das Wichtigste, was ein Chef von seinen Mitarbeitern braucht, das ist, was diese nur freiwillig geben und nicht das, was sie unter Druck tun“.

Was war also passiert, dass ich das Essay zunächst ablehnte: zuoberst sicher die Demontage meines Ideals der Führungskraft. Tatsächlich sind in meiner Erfahrung alle Führungskräfte, die ich je erlebt habe, mit dem Management der Beziehungen zu ihren Mitarbeitern überfordert gewesen (diese Formulierung schließt mich ein). Damit gerät auch mein Ziel ins Wanken, als Trainer Führungskräfte genau darin zu schulen, diese Verantwortung gänzlich zu sich zu nehmen und zum Zentrum ihres Handelns zu machen.

Andererseits witterte ich sofort Kalkül hinter den Ausführungen. Die Anzahl von Führungskräften, die man trainieren und coachen kann ist schließlich deutlich kleiner, als die Summe aller Mitarbeiter. Es vergrößert also deutlich den Zielmarkt, wenn man glaubhaft machen kann, das alle Schulungsbedarf haben. Und zuletzt – und um das freizulegen, habe ich ein paar Tage gebracht – habe ich gegen die Verantwortung Widerstand geleistet, die der Autor vor meine eigene Tür legte. Da meine letzte Arbeit für einen Vorgesetzten am Ende scheiterte, muss ich als Mitspieler in der Beziehung meinen Teil der Verantwortung akzeptieren, wenn ich wie Eidenschink Führungsstärke als Merkmal der Beziehung einstufe.

Nachdem ich durchschaut hatte, was das Essay alles an Reaktionen in mir ausgelöst hatte, konnte ich mich sehr gut damit arrangieren. Vor allem mit den Punkten, in denen ich Eidenschink zustimme: Führungskräfte brauchen Training und Beratung in Kompetenzen, die in Schule und Studium nicht vermittelt werden und die einem nicht zufliegen. Mitarbeiter auch. Ziel ist es, dass beide gemeinsam erfolgreich sind. Und dann bringt er es sehr schön auf den Punkt: wenn die Führungskraft gefragt hat, was sie vom Mitarbeiter braucht, um gut zu führen; und wenn der Mitarbeiter gefragt hat, was er braucht, um sich gut führen zu lassen; dann gibt es für beide nur noch die Frage: „Wie kann ich gelassen reagieren, wenn ich das nicht bekomme.“

Von Silos und Kulturen

Von Silos und Kulturen

Warum Kollegin A und Kollege B bei allem guten Willen trotzdem nicht automatisch vorwärts kommen

In meinem letzten Eintrag habe ich ganz plump innerhalb eines Blogposts versucht zu erklären, warum Störungen Vorrang haben und Unsachlichkeit vor sachlicher Effizienz kommt. Eine Sache habe ich unterschlagen: die Realität.

Ein großes Hindernis für Kollegin A und Kollegen B ist, dass es nicht die eine Realität gibt. Jeder von uns nimmt seine eigene Realität wahr. Somit ist es nicht ganz leicht, offen zu sein, die Realität, bzw. Wahrnehmung des anderen zu verstehen. In diesem Fall meine ich mit Realität aber vor allem das weitere Umfeld, in dem sich A und B begegnen, um ihre vermeintlichen Scharmützel um Territorium und Dominanz der Beziehung auszutragen.

Eine immanent wichtige Grundlage dafür, dass die beiden Ihre Positionen offen diskutieren und definieren, bildet die Klarheit dieser Positionen im Gesamtgefüge des Unternehmens, bei dem sie angestellt sind. Arbeiten sie für einen gemeinsamen Vorgesetzten oder für verschiedene? Hat dieser eine Vorgesetzte beiden ein klares Bild gegeben wofür A und wofür B verantwortlich sind? Ist er für beide ansprechbar und in der Lage auf Anfrage diese Klarheit herzustellen? Sind es zwei unterschiedliche Vorgesetzte, deren Verantwortlichkeiten klar definiert sind, denen klar ist, wo eine Abgrenzung verläuft? Haben diese beiden Vorgesetzten untereinander schon die offene Definition der Positionen besprochen, oder noch nicht? Und warum noch nicht – aus Misstrauen, sind sie im Machtkampf miteinander? Oder aus mangelndem Verständnis für die Wichtigkeit oder aus Scheu vor einer allzu deutlichen Verantwortung?

In diesem Fall arbeiten A und B für zwei unterschiedliche Vorgesetzte. Beiden sind von der Unternehmensspitze Verantwortlichkeiten gegeben worden, die sich stark überschneiden, bei denen eine klare Abgrenzung nicht möglich ist. A und B und ihre Chefs sind in unterschiedlichen Silos gefangen, sie sitzen nicht im selben Boot. Und doch soll unten aus den Silos dasselbe herauskommen, sollen die getrennten Boote das gleiche Ziel ansteuern. Gegen solche Silo-Strukturen schreiben Autoren und Fachpresse seit Jahren an. Allerdings kennen wir nicht die Argumente, warum diese Bereiche getrennt sind. Vielleicht gibt es stichhaltige Gründe. 

Es gibt eine Möglichkeit trotz dieser strukturellen Trennung gemeinsam effizient und erfolgreich zu sein. Eine Möglichkeit, über den Graben eine Brücke zu schlagen: eine positive Unternehmenskultur. Ein Klima, in dem A und B und all ihre Kollegen wissen: wir haben ein gemeinsames Ziel. Wir kennen das Ziel, wir identifizieren uns mit dem Ziel, und mit unserem Beitrag zum Erreichen dieses Ziels. Wir identifizieren uns auch mit unserer Rolle. Sicherlich müssen wir A und B trotzdem ausstatten mit dem Wissen um die Beziehungsebene ihrer Kommunikation und darüber, dass Störungen Vorrang haben, darüber, dass das „Unsachliche“ geklärt sein muss, damit die Sache Erfolg haben kann.

Diese Ziele, diese Klarheit und diese Haltung funktioniert, wenn sie vorgelebt wird. Wenn auch die Vorgesetzten von A und B Klarheit haben und schaffen. Wenn es allgemeingültig ist, dass Unklarheiten angesprochen und ausgeräumt werden.

Haben A und B nun eine echte Chance, wenn in ihrem Umfeld keine Klarheit vorgelebt wird, jeder Chef seine eigenen Ziele verfolgt, sie in Silo-Strukturen stecken? Ja, ich glaube selbst dann. Mit Bewusstheit für sich selbst und den anderen. Mit persönlicher Souveränität. Aber es ist natürlich viel schwieriger.

Können wir bitte sachlich bleiben?

Können wir bitte sachlich bleiben?

Warum das der falsche Appell ist, wenn es unsachlich wird.

Als Zusatz und als Verdeutlichung für den Vorrang, den die Klärung von Störungen haben soll, möchte ich Ihnen einige Beispiele von ehemaligen Kollegen schildern. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich die korrektere Form Kollegen/innen zum leichteren Lesefluss kurz fasse.

Kollegin A hat die Angewohnheit durch ihre Mitarbeiter sehr lange und detaillierte Präsentationen erstellen zu lassen. Wenn sie sie in Besprechungen vorträgt, führt sie sie lange und sorgfältig aus. So dass wenig Dialog entsteht und dass mit der Zeit mehr und mehr Teilnehmer die Konzentration verlieren. Wenn andere Kollegen Zwischenfragen stellen möchten, redet sie energisch weiter. Durch dieses Verhalten versucht sie die Beziehung zu ihren Kollegen zu dominieren. Sie möchte ihre Arbeit durch die anderen nicht hinterfragen lassen. Damit teilt sie die Reaktionen in zwei Lager: ein Teil der Kollegen  ist froh, wenn der Monolog vorüber ist, sie klinken sich aus. Damit entziehen sie sich dem Dominierungsversuch, allerdings erreicht Kollegin A damit ihr Ziel: ihre Themen werden durchgewunken. Ein anderer Teil der Kollegen geht gegen den Dominanzversuch in den Widerstand: sie suchen die Debatte und treten gegen As Pläne an – auch wenn diese richtig sind. Es ist dann egal, ob ihre Beobachtungen und Empfehlungen sachlich sinnvoll sind. Die Beziehung unter den Kollegen ist durch den Dominanzversuch gestört. Aber anstatt „unsachlich“ zu werden, nämlich die Verhältnisse untereinander zu klären, wird das Thema auf der angeblichen Sach-Ebene ausgefochten.

Kollege B ist so ein Opponent. Er achtet meist sehr genau ob angrenzende Teams oder Teamleiter an der Schnittstelle zu seinem Verantwortungsbereich sauber verfahren oder nicht. Er ist ein absolut lösungsorientierter und zielstrebiger Mensch. Wenn er allerdings den Eindruck hat, dass ein anderer Teamleiter mit einem Projekt glänzen oder einen Budgetposten an sich reißen möchte, das/der seines Erachtens in Bs Verantwortungsbereich liegt, dann geht er in die Offensive. Allerdings häufig in die thematische, nicht in die territoriale. Er geht die entsprechenden Kollegen dann hart an, kritisiert ihre Pläne, widerspricht ihren Rückschlüssen, schießt in der Sache quer. Diese empören sich ob des Tons und der harten Gangart, beschweren sich dass das unsachlich sei. Genau das ist der springende Punkt an dem wir (denn das geht im Eifer des Gefechts um ein sachliches Thema den meisten Menschen so) aber die Störung, das Unsachliche nicht wirklich aufdecken. Mit den Versuchen die Grenzen des anderen zu überschreiten, mit den unausgesprochenen Verdachtsmomenten und Gegenmanövern – mit alldem im Rucksack machen wir uns daran, die Sache zu klären. Und behindern uns selbst und gegenseitig, so dass der Prozess und die Lösung sehr ineffizient werden.

Viel effizienter ist es, einmal offen die persönlichen Differenzen auszusprechen und zu lösen. Im besten Falle erkennt man die Position des Anderen. Man muss nicht mit ihr einverstanden sein. Aber wirklich lösungsorientiertes Miteinander ist erst danach möglich. Wenn der Rucksack abgelegt, der Mißverständnisladeraum leergeräumt ist. Wenn wir uns erlaubt haben unsachlich zu sein.

Wir haben keine Zeit, deshalb lasst uns langsam vorgehen

Wir haben keine Zeit, deshalb lasst uns langsam vorgehen

Darüber, dass dies nicht im Widerspruch zu schnellem und effizientem Handeln steht.

Erst schreibe ich hier lange Beiträge darüber, dass jeder von uns sich trauen darf schneller zu entscheiden. Und dennoch ist dies aktuell mein Lieblingszitat der humanistischen Psychologin Ruth C. Cohn (1912-2010): „Wir haben keine Zeit, deshalb lasst uns langsam vorgehen“. Dieser Leitsatz wirkt alleinstehend paradox. Er bezieht sich allerdings auf das Zusammenwirken von Menschen, von der Kommunikation zwischen ihnen. Und er bezieht sich auf die Effizienz, die die Menschen entwickeln. In meiner Auffassung ist dieser Aufruf essentiell wichtig, wenn Menschen zusammen arbeiten.

Die schnelle Entscheidung aus meinen vorangegangenen Beiträgen ist eine individuelle Entscheidung. Es geht nicht um die Entscheidung eines Gremiums, des Vorstands oder eines Arbeitsteams. Das langsame Vorgehen von Ruth Cohn basiert darauf, dass Menschen miteinander kommunizieren und vor dem Risiko stehen, dass ihre Botschaften „durcheinander“ kommen. Dass Missverständnisse entstehen. Dass die Menschen, die gemeinsam ein Ziel erreichen wollen, ihre Kommunikation klar ziehen müssen, um gemeinsam effizient zu werden und erfolgreich zu sein. Es hängt zusammen mit Cohns Appell: „Störungen haben Vorrang“.

Wenn Menschen zusammen kommen, laufen in ihrer Kommunikation – im Gesagten wie im Non-Verbalen, also dem Tonfall, der Mimik und der Körpersprache – automatisch ganz viele Rituale ab: akzeptieren sie sich, sind sie sich sympathisch, empfinden sie ihre Beziehung gleich oder unterschiedlich, versucht jemand die Oberhand zu haben, ordnet sich jemand unter oder gibt er Gegenwehr, und vieles mehr. Fast immer laufen diese Prozesse zwischen den Zeilen: entweder gar nicht ausgesprochen und nur non-verbal, oder auch im gesagten oder geschriebenen Text. Aber auch dann eher im Tonfall oder in einer besonderen Formulierung anstatt offen ausgesprochen. Das liegt unter anderem daran, dass sehr viel dieser Prozesse nicht bewusst ablaufen, sondern vom Unterbewusstsein gesteuert werden. Dass in vielen Fällen auch noch die Wahrnehmung der Beteiligten auseinander gehen können (bisweilen sogar sehr weit), so dass Gesagtes und Gehörtes zwei verschiedene Paar Schuhe sind, bringt noch mehr Dynamik hinein.

Wenn also zwei oder mehr Menschen in einem Team oder einer Projektgruppe zusammen kommen, fährt in der Besprechung einer sachlichen Information unterhalb der Wasseroberfläche ein Riesenladeraum an Missverständnispotential mit. Wenn diese Menschen nun innerhalb eines klaren Zeitziels gemeinsam ein Ziel zu erreichen haben, tun sie gut daran, für die Klärung dieser Verhältnisse untereinander Zeit zu investieren. Alle Störungen, Missverständnisse, unausgesprochenen Vorbehalte, Vorwürfe oder gar Verletzungen, die das Team mit in das Projekt nimmt, werden die Arbeit behindern und werden sie langsamer machen und damit ineffizient.

Deshalb haben Störungen wirklich absoluten Vorrang! Darum empfehle ich Ihnen dringend: nehmen Sie sich diese Zeit dafür. Gehen Sie langsam vor, wenn Sie im Team für eine Aufgabe wenig Zeit haben und nicht bereits blind aufeinander eingespielt sind. Ein einzelner neuer Teilnehmer reicht, und Ihr Team-Gefüge muss neu definiert werden.

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